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4. Januar 2012

Film-Quickie: Von Göttern, Drähten und Hundezähnen

Besten Dank an meat und DerFrank für die Kommentare zum ersten Film-Quickie! Tatsächlich bestätigte mich eine dort aufgeworfenen Frage im Plan, das Bewertungssystem umzustellen: Zumindest bei den Kurzkritiken werde ich von Zehntel-Schulnoten auf ein einfaches Zehnersystem ohne Kommazahlen umstellen. Zehn Punkte gibt es nur für sensationell gute Produktionen, zwischen null und vier Punkten sollte man dagegen besser gebührenden Abstand wahren. Auch im heutigen Fünferpack sorge ich für ausreichend Abwechslung, indem ich einer Serienstaffel ein Kino-Drama, einen Western-Abgesang, einen Thriller und einen mehr als außergewöhnlichen Independent-Streifen zur Seite stelle. Nach der Lektüre freue ich mich über eure Meinung zu den Filmen und dem neuen Wertungssystem.

Der Gott des Gemetzels 
Zwei Ehepaare treffen sich, um ganz gesittet die Streitigkeit ihrer jeweiligen Söhne zu klären, die zu einer dicken Lippe und zwei abgebrochenen Schneidezähnen führte.
Dabei spielt sich alles wie in Yasmina Rezas Drama „Le Dieu du Carnage“, das zuvor nur im Theater zu sehen war, in einer Wohnung ab. Christoph Waltz und Kate Winslet treffen dabei auf John C. Reilly und Jodie Foster, die alle auf ihre Weise dazu beitragen, das einstmals kultivierte Schlichtungsgespräch im Fiasko enden zu lassen. Dabei überzeugen Dialoge sowie Gestik und Mimik des Mimen-Quartetts derart, dass der Zuschauer ein ums andere Mal herzhaft lachen muss und zu keiner Zeit einen Szenenwechsel wünscht – höchstens, um sich und den Charakteren eine Pause zu gönnen. Doch die gibt es nicht, und so darf Roman Polanski nach Herzenslust streiten, schlichten, beleidigen und sogar reihern lassen. Ein großer Spaß – nicht nur für Anhänger des Programmkinos.
8/10

Erbarmungslos
Einem Schweinebauer geht das Geld aus – also besinnt er sich auf seine wenig ruhmreiche Vergangenheit, greift zur Flinte und begibt sich auf Kopfgeldjagd.
Clint Eastwood stimmt einen klasse inszenierten Abgesang auf das Western-Genre an: Es sind die alten Haudegen, die den Ton angeben, nicht die schießwütigen Jungspunde. Eastwood, Freeman und Hackman spielen so souverän wie gewohnt, man nimmt ihnen ihre Sorgen und Ängste ab. Es ist schön, einen Genrevertreter zu sehen, der nicht nur von Revolverhelden und Feiglingen erzählt, sondern dieses gewohnte Schema aufbricht. Wie fast immer gilt also auch hier: Was Clint Eastwood anpackt, das ist großes Kino! Im Vergleich zu seinen neueren Werken (etwa „Million Dollar Baby“ und „Gran Torino“) fehlt in „Erbarmungslos“ dennoch der letzte Feinschliff, die tiefe Dramatik, das gewissen Etwas. Zu oft denkt man, dass einfach mehr möglich gewesen wäre…
7/10

The Wire – Staffel 1
Realistisch, komplex, packend, dramatisch, vielschichtig, kompromisslos, humorvoll, genial: Viele Attribute ließen sich für die erste Staffel der „besten Serie der Fernsehgeschichte“ (nach Meinung u.a. von FAZ, TIME Magazine und The Guardian) finden. Wichtig ist aber vor allem, dass alle tatsächlich zutreffen! Und auch ich wurde überzeugt: „The Wire“ ist tatsächlich die beste TV-Serie aller Zeiten, trotz „Twin Peaks“, „The Sopranos“ und vieler weiterer richtig guter Konkurrenten. Denn so nah an die Wirklichkeit der Polizeiarbeit in einem vom Drogenhandel bestimmten Stadtteil Baltimores kommen selbst die aufwändigsten Dokumentationen noch nicht mal im Ansatz.
Besonders an der der Serie ist, dass beide Seiten intensiv beleuchtet werden: Die korrupten Mühlen der „ach so guten“ Polizei und die vermeintlich bösen Drogendealer. Dabei verschwimmen Schwarz und Weiß, Gut und Böse auf so perfekte Art und Weise, dass man als Zuschauer manchmal nicht weiß, zu wem man mehr hält. Die Schauspielersind bis auf ganz wenige Nebendarsteller äußerst glaubwürdig, weil ihnen eine unglaubliche Tiefe verliehen wird. Diese wird aber erst nach und nach aufgebaut und ist anfangs höchstens zu erahnen. Dazu kommt seltener, aber sehr passender Humor, das Gefühl für den perfekten Moment, bahnbrechende Dialoge, später sogar richtig beklemmende und intensive Spannung. Das alles ist ganz weit weg vom Hochglanz-Profiling à la CSI – und damit um Welten besser. Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann die Tatsache, dass die Serie trotz aller Bemühungen bei der Erstellung der deutschen Synchronfassung nur im englischen Originalton zu empfehlen ist. Dennoch: Jeder, der sich gerne auf intelligente Weise in seinen Bann ziehen lassen möchte, muss den dreizehn etwa einstündigen Episoden der ersten Staffel von David Simons Meisterwerk "The Wire" eine Chance geben.
10/10

Dogtooth
Drei inzwischen erwachsene Kinder werden von ihren Eltern auf eine absolut abartige Art und Weise erzogen: Sie haben nie das elterliche Anwesen verlassen, ihnen wurde gar beigebracht, dass dies auch nur mit dem Auto möglich sei. Katzen seien bestialische Raubtiere, die liebend gerne Menschen zerfleischen und der Sinn des Lebens besteht im Sammeln von Stickern, die man für Erfolge in spaßigen Spielen wie „Wer hält im Pool länger die Luft an“ erhält…
Der griechische Film schert sich nicht um Sehgewohnheiten und ethische Grundsätze bezüglich der Themen Erziehung, Inzest und Menschenwürde. Das verlangt dem Zuschauer einiges ab, ist aber auch hochinteressant. Würde der Film nicht so unvermittelt enden, wäre hier sogar mehr drin gewesen. Aber auch so gibt es für den Mut und das völlig andere Seherlebnis eine verdientermaßen hohe Wertung.
8/10

La Linea – The Line
Ein Auftragsmörder (Ray Liotta) reist mit dem Ziel nach Tijuana (Mexiko), den brutalen Nachkömmling des erkrankten Drogenbosses (Andy Garcia) umzulegen.
Erst gegen Ende wird klar, wer hier etwas gegen wen im Schilde führt. Die letzte Viertelstunde ist dann auch mit Abstand der beste Teil des Thrillers, der ansonsten vom gut aufgelegten Ray Liotta  und den Aufnahmen der mexikanischen Stadt lebt, welcher die Produktion auch gewidmet ist. Ein wenig mehr Mut, ausgetrampelte Genrepfade zu verlassen, hätte diesem Thriller vielleicht mehr eingebracht als die durchschnittlichste aller Wertungen.
5/10

Bildrechte: Constatin, Warner, Warner / HBO / FOX, I-On New Media, Ascot Elite / Planet Media

2 Kommentare:

  1. Danke für den Link zum Interview bzgl. der Synchro. Da kann man gut nachlesen, wie schwer eine Synchro sein kann. Kann mir schon vorstellen, dass der Synchronautor an diesen Slang-Ausdrücken verzweifelt ist.

    Bei der Kurzkritik zum Polanski-Film steht nichts Negatives. Warum dann "nur" 8/10?

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  2. Danke für den Kommentar, wenn auch ohne Videolink...

    Beide Interviews habe ich regelrecht verschlungen, auch wenn ich die Serie von anfang an im Originalton schaute. Mache ich inzwischen aber bei fast allen Filmen und Serien.

    Ich verstehe die Nachfrage zur Kritik von "Der Gott des Gemetzels". Wahrscheinlich fehlt einfach ein Testsystem, das die Noten erklärt. 8/10 ist schon eine sehr gute Wertung, die nur von Ausnahmeproduktionen getoppt werden kann. Das ist Polanskis Film aber nicht, es handelt sich am Ende um nicht mehr (und eben auch nicht weniger) als ein gut umgesetztes Theaterstück. Wäre die Vorlage Faust gewesen, hätte mehr rausspringen können, bei dieser Vorlage eben nicht.

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